Die in der zweiten Hälfte der 60-er Jahre durch zahlreiche Zugänge von anderen Oberligamannschaften verstärkte Mannschaft des FC Rot-Weiß Erfurt konnte die Erwartungen eines oberen Tabellenplatzes zwar nicht erfüllen, erreichte jedoch gesicherte Mittelfeldplatzierungen. Doch Ende 1969 sollte der DFV der DDR einen neuen Fußballbeschluss veröffentlichen, der ab der neuen Saison 1970/71 galt. Der seit 1965/66 vorherrschende große Einfluss der Trägerbetriebe auf die FC sollte gebrochen werden. In Erfurt wurde der bisherige geschäftsführende Clubsekretär Werner Günther nun Clubvorsitzender. Der bisherige Clubpräsident und Werkdirektor des VEB Optima Heinz Milde hatte bereits 1968 diesen ehrenamtlichen Posten verlassen. Infolge dieses Beschlusses wurde nun auch streng darauf geachtet, dass die berufliche Qualifikation eines Spielers für dessen Einstellung beim Trägerbetrieb verantwortlich war und damit sank die durchschnittliche Entlohnung deutlich. Parallel dazu hatte der DFV der DDR zum wiederholten Male auf die Unrechtmäßigkeit der Zahlung von Spielprämien hingewiesen. Vor dem Hintergrund der strengen Bestrafung der BSG Stahl Eisenhüttenstadt wurden diese Prämien gar nicht mehr oder nur sehr gering ausgezahlt, wenn auch nur bis Mitte der 70-er Jahre.
Die FC-Spieler verdienten ab Sommer 1970 mit dem Leistungssport Fußball nur noch sehr wenig Geld. Genau diese deutlichen Einnahmerückgänge für Spieler und Funktionäre führten Anfang der 70-er Jahre zum Abgang einiger Leistungsträger (z.B. Rudi Dittrich, Harald Wehner, Erwin Seifert, Rainer Trölitzsch, Dieter Weiß) aus einer rot-weißen Mannschaft, die ab 1966 aus guten Nachwuchsspielern und solchen anderer Oberligamannschaften aufgebaut worden war. Bei den großen und auf den Fußball konzentrierten Betriebssportgemeinschaften des Bezirks Erfurt (z.B. BSG Motor Eisenach, BSG Motor Sömmerda), wenn auch nur in der Bezirksliga oder der DDR-Liga spielend, war Anfang der 70-er Jahre deutlich mehr Geld zu verdienen. Erschwerend kam hinzu, dass der Clubvorsitzende Werner Günther im Zusammenhang mit der Olympiavorbereitung der DDR-Sportler auf Anweisung des DTSB die Leitung des Höhentrainingslagers Belmeken in Bulgarien von 1970-72 übernahm und damit in Erfurt genau in dem Zeitraum, in dem die Probleme zwischen den Ansprüchen der Spieler und den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen eskalierten, nicht anwesend war. Als Clubvorsitzender agierte in dieser Zeit mit Dieter Schramm ein gesundheitlich angeschlagener und den Leistungsportbereich Fußball nicht überblickender Funktionär der FDJ-Bezirksleitung im FC Rot-Weiß Erfurt.
Auch der Trainer Martin Schwendler, welcher in den vier Jahren zuvor viel für die positive Entwicklung auf sportlichem Gebiet getan hatte, wollte unter den neuen finanziellen Bedingungen beim FC Rot-Weiß Erfurt nicht mehr arbeiten. Die bisherige finanzielle Motivationspraxis und damit seine Autorität gegenüber der Mannschaft war nun nicht oder nur noch sehr eingeschränkt möglich, was ihm kurz vor Beginn der neuen Saison 1970/71 klar geworden sein musste. Als Schwendler die Mannschaft während der Halbzeitpause des Freundschaftsspiels gegen Spartak Moskau zu mehr Engagement aufforderte, wurde ihm seitens der Spieler entgegnet, dass man doch nur ein Spiel, aber keinesfalls eine Spielprämie verlieren würde, denn diese gab es nun nicht mehr. Martin Schwendler legte am nächsten Tag umgehend sein Amt nieder, der bisherige Co-Trainer Gerhard Bäßler wurde mit Billigung der Bezirksleitung Erfurt der SED und des DTSB von der FC-Leitung daraufhin als neuer hauptverantwortlicher Trainer eingesetzt.
Anfang der 70-er Jahre kam es also erneut zu einem Umbruch in der Mannschaft. Da es für Spieler anderer FC oder BSG wieder unattraktiv geworden war, nach Erfurt zu wechseln, wurden zwangsweise junge Spieler, oftmals aus dem eigenen Nachwuchs, wie beispielsweise Rüdiger Schnuphase, Wilhelm Laslop, Albert Krebs, Wolfgang Benkert oder Reinhard Häfner in die Mannschaft eingebaut. Der Verlust an fußballerischer Substanz und wohl auch an ausreichender Motivation durch den Fußballbeschluss von 1969/70927 war allerdings so einschneidend, dass die Oberliga in der Saison 1970/71 nicht gehalten werden konnte und der FC Rot-Weiß somit erneut abstieg. Aber auch diesmal währte der Aufenthalt in der DDR-Liga nur ein Jahr, zum Sommer 1972 konnte der prompte erneute Aufstieg in die Oberliga gefeiert werden. Bis zum Ende der DDR-Oberliga gehörte der FC Rot-Weiß Erfurt von nun an immer dazu.
Der im Sommer 1970 zum Cheftrainer aufgestiegene Gerhard Bäßler wurde aufgrund des Abstiegs nach nur einem Jahr wieder abgelöst. Mit Siegfried Vollrath sollte ein ehemaliger Spieler der Turbine-Meistermannschaft von 1954 und 55 wieder langfristigen Erfolg nach Erfurt holen, aber auch dies gelang nur im ersten Jahr, als der sofortige Wiederaufstieg errungen wurde. Nur mit Mühe konnte sich der FC Rot-Weiß Erfurt in der Saison 1972/73 in der Oberliga halten und erreichte den zwölften Tabellenplatz. Dieser sportliche Misserfolg, dazu veraltete Trainingsmethoden und Mängel in der Mannschaftsführung brachten die Clubleitung in Absprache mit der Bezirksleitung der SED dazu, den Trainer erneut auszuwechseln, der dritte Trainerwechsel in vier Jahren. Doch anstelle eines neuen, von außen kommenden Mannes wurde nun wieder Gerhard Bäßler als Trainer der Oberligamannschaft eingesetzt.
Anhand dieser wenig nachvollziehbaren Entscheidung der Bezirksleitung der SED und der FC-Leitung wurde die in den 70-er Jahren beim FC Rot-Weiß Erfurt anzutreffende Zufriedenheit mit dem Mittelmaß deutlich. Letztlich äußerte sich dies auch in der sportlichen Bilanz, denn unter Gerhard Bäßler kamen die Erfurter in den folgenden Jahren über einen Mittelfeldplatz nicht hinaus. Größere sportliche Erfolge wurden zudem von den Abgängen von Reinhard Häfner zur SG Dynamo Dresden im Jahr 1971, von dem in Erfurt zum Nationalspieler gereiften Rüdiger Schnuphase 1976 zum FC Carl Zeiss Jena und von Lutz Lindemann 1977 zum gleichen Club verhindert. Dazu kam, dass die besten Nachwuchsspieler des Bezirks Erfurt, wie z.B. Stefan Meixner, Fred Steinborn oder Stefan Böger aufgrund des Schwerpunktstatus' des FC Carl Zeiss ebenfalls nach Jena delegiert wurden. Wurde ein Spieler im Gegenzug für eine solche Delegierung vom FC Carl Zeiss an den FC Rot-Weiß gegeben, z.B. Klaus Schröder oder Hartmut Molata, dann war diese keine sportliche Verstärkung: Dazu Klaus Goldbach:
"Der Club hat Gold gegen Eisen getauscht."
Wie schon rund ein Jahrzehnt zuvor unter Martin Schwendler sollte mit Manfred Pfeifer, der ab Sommer 1978 der neue Trainer wurde und vorher den 1.FC Lokomotive Leipzig trainiert hatte, auf sportlicher Ebene ein nach der Bäßler-Ära dringend nötiger Professionalisierungsschub einsetzen. Nachdem bereits 1976 die aus dem eigenen Nachwuchs stammenden Spieler wie Jörg Hornick oder Jürgen Heun in die Oberligamannschaft eingebaut wurden, wurde dieser Kurs unter Pfeifer noch verstärkt.
Nun rückten solche Spieler wie Josef Vlay, Martin Busse, Uwe Becker oder Bernd Nemetschek nach, die zum einen die KJS Erfurt als Fußballer durchlaufen hatten und die im Sommer 1978 in der zwei Jahre zuvor neu geschaffenen Nachwuchsoberliga die Meisterschaft feiern konnten. Das Setzen auf den eigenen Nachwuchs geschah zum einen aus der Stärke dieses Jahrgangs und zum anderen aus der weiterhin fehlenden Attraktivität des FC Rot-Weiß für Spitzenspieler anderer Oberligamannschaften aufgrund der im Vergleich zum FC Carl Zeiss unzureichenden finanziellen, materiellen und sozialen Möglichkeiten der Erfurter. Mit dem Wechsel Armin Romstedts von der BSG Motor Weimar zum FC Rot-Weiß Erfurt gelang es der Clubleitung im Jahr 1979 endlich einmal, einen Spieler nach Erfurt zu holen, der sich trotz eines Angebots des FC Carl Zeiss für die Bezirkshauptstadt entschied.
Sportlicher Höhepunkt in dieser Zeit war für den FC Rot-Weiß Erfurt das Erreichen des Endspiels um den FDGB-Pokal am 17. Mai 1980, welches allerdings gegen den FC Carl Zeiss nach einem 1:1-Unentschieden nach regulärer Spielzeit noch mit 3:1 in der Verlängerung verloren wurde.
Der Text ist ein Auszug aus: Michael Kummer: Die Fußballclubs Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena und ihre Vorgänger in der DDR. Ein Vergleich ihrer Bedingungen. Dissertation, Potsdam 2010.
Die Bilder stammen alle aus dem Archiv Olaf Schwertner.
Vielen Dank an Autor und Bildgeber.