Während des Zweiten Weltkrieges waren der organisierte Sport und somit auch der Spielbetrieb im Erfurter zum Erliegen gekommen. Unabhängig von der notwendigen Erlaubnis der sowjetischen Besatzungsmacht zur Wiederaufnahme des Sports fehlte es nach dem Ende des Krieges an fast allem, vor allem jedoch an Spielern, Sportmaterialien und an funktionstüchtigen Sportanlagen. In Erfurt gründeten sich 1946 nach der Erlaubnis der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), auf kommunaler Ebene Sport zu treiben, zahlreiche nach geographischen Gesichtspunkten orientierte Sportgemeinschaften. Der Grund lag darin, dass die aktiven Sportler in diesen SG in dem Stadtteil wohnen mussten, in dem sie ihren Sport ausüben wollten.
In Erfurt kam es daher zu vielfachen Neugründungen bzw. Zusammenschlüssen nach diesen Kriterien, wobei versucht wurde, die alte Vereinsstruktur und damit die Stadtteilverbundenheit möglichst zu übernehmen. Fünf Sportgemeinschaften wurden so gegründet: Die SG Erfurt-Mitte, später in SG Tura und dann in BSG Motor Optima umbenannt, spielte auf dem Gebiet des alten Johannesplatzes, auf dem später die Neubauten errichtet wurden, und die SG Erfurt-Ost übernahm zwei Fußballplätze im Andreasrieth. Der ehemalige Sportring Erfurt spielte nun auf seiner Anlage in Daberstedt als SG Erfurt-Süd und wurde später in Südring, dann in die BSG Reichsbahn umbenannt. Bedeutender aber waren die Nachfolger der beiden vor und während des Krieges führenden Erfurter Mannschaften. Aus der SpVgg Erfurt, die in der Grubenstraße spielte, wurde die SG Erfurt-Nord und wenig später SG Union Erfurt, nach der Bindung an die Betriebe wurde es die BSG Stahl. Der bisherige SC Erfurt 1895 jedoch schloss sich im Jahr 1946 mit dem VfB Erfurt zusammen und gab sich den Namen SG Erfurt-West, zwei Jahre später benannte man sich in SG Fortuna Erfurt um. Das Training und die Spiele fanden auf der alten Anlage des SC Erfurt auf der Cyriaksburg statt.
Bis 1948 war lediglich ein kommunaler Spielbetrieb durch die SMAD zugelassen, so dass die SG Erfurt-West in der Saison 1947/48 den maximal möglichen Erfolg mit dem Stadtkreismeistertitel erzielte. Eine erste zugelassene Meisterschaft in der SBZ wurde erst am Ende der Saison 1947/48 ausgetragen und von der Freien Deutschen Jugend (FDJ) organisiert. Für diese Endrunde waren eigentlich die Landesmeister und die Tabellenzweiten aus den Ländern Mecklenburg, Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt spielberechtigt, aber nur in Brandenburg und Mecklenburg waren die Landesmeister ermittelt worden.
In den anderen Ländern mussten die Teilnehmer erst durch Qualifikationsspiele ermittelt werden, so auch in Thüringen. Dabei kam es im Viertelfinale zu einem direkten Aufeinandertreffen der SG Ernst Abbe Jena und der SG Erfurt-West. Das Spiel fand auf neutralem Platz an der Weimarer Falkenburg statt. Zwar schied ein Erfurter nach 20 Minuten Spielzeit mit einem Beinbruch aus, dennoch gewann die SG Erfurt-West mit 2:1.Im Halbfinale scheiterte die SG Erfurt-West dann an der SG Sömmerda-West mit 0:2. In der folgenden Saison wurden dann wie geplant in allen fünf Ländern in den jeweiligen Landesligen die Landesmeister ausgespielt, die 1948 in SG Fortuna Erfurt umbenannte SG Erfurt-West wurde hierbei klarer Sieger. Die Erfurter Mannschaft nahm daher an der Endrunde teil und konnte bis ins Finale vordringen, verlor dort allerdings mit 1:4 gegen die ZSG Union Halle.
Ab Ende 1948 wurde der Sport in der DDR an die Betriebe gekoppelt, dazu sollte jeweils ein sogenannter Trägerbetrieb gefunden werden. Bei der SG Fortuna Erfurt sprang hierfür das Kommunalwirtschaftsunternehmen der Stadt Erfurt unterstützend und namensgebend ein und so kam es zu einer erneuten Umbenennung. Die Mannschaft der SG Fortuna sollte nun auf den Namen BSG KWU Erfurt hören und spielte seit 1950 nicht mehr auf der Sportanlage auf der Cyriaksburg, sondern im Stadion, welches in Georgij-Dimitroff-Stadion umbenannt worden war.
Aufgrund der ab 1950 erfolgten Neuorganisation des Sports auf der Basis der Gewerkschaftsstruktur, und damit in Produktionszweige, wurden 18 zentrale Sportvereinigungen nach sowjetischem Vorbild gegründet. Jede SV stand dabei für einen Gewerkschaftsbereich und wurde namensgebend für die ihnen unterstellten Betriebssportgemeinschaften. Die Sportvereinigung Turbine umfasste alle Betriebe der Energiewirtschaft und der Wasserwirtschaft. Gegen den Willen der Landesleitung der SED Thüringen hatte die Industriegewerkschaft Energie es erreicht, dass die damals so spielstarke Erfurter Mannschaft einem ihrer Betriebe, dem VEB Reparaturwerk Clara Zetkin, als Betriebssportgemeinschaft unterstellt wurde und damit innerhalb der SV Turbine organisiert war. Die Erfurter BSG wurde am 1.2.1950 somit erneut umbenannt und anstelle der Abkürzung KWU trug sie nun den Namen BSG Turbine Erfurt.
Es sollte zwar 1954 noch einmal eine Änderung des Status` mit der Benennung zum SC geben, aber der Name Turbine war für die Fußballer bis zum Januar 1966 maßgebend.
Mit der Gründung der Sportclubs als Zentren des Leistungssports ab 1954 wurde der Breitensport in der DDR abgeteilt. Dem Leistungssport galt von nun an und bis zum Ende der DDR der überwiegende Anteil der finanziellen, materiellen und organisatorischen Mittel. Die Begründung für die Installierung dieser Sportclubs las sich so:
„Die SC dienen ausschließlich dem Zweck, den Leistungssport mit allen Kräften zu fördern, um auf schnellstem Wege in allen Sektionen die Führung in Deutschland zu übernehmen, das internationale Leistungsniveau zu erreichen und durch die Erzielung von neuen Weltrekorden und Weltbestleistungen Ruhm und Ehre für unsere Deutsche Demokratische Republik, den ersten Staat der Arbeiter und Bauern in Deutschland, zu erringen.“
(Rat des Bezirkes Erfurt: "Sekretariatsvorlage Nr. 2/55 zur Überprüfung der politischen Erziehungsarbeit, der Trainingsarbeit und der Arbeit in der Kinderabteilung im SC Turbine" vom 26.1.55.)
Sportlich gesehen war die bereits erwähnte Finalniederlage der damaligen SG Fortuna Erfurt im Jahr 1949 gegen die ZSG Union Halle dagegen der Beginn der erfolgreichsten Phase des Erfurter Fußballs. Die Mannschaft konnte 1950 das FDGB-Pokalfinale erreichen, verlor dort aber gegen die BSG EHW Thale mit 0:4.
Ein Jahr später wurde die Mannschaft, die nun unter dem Namen BSG Turbine Erfurt antrat, in der Oberliga punktgleich mit der BSG Chemie Leipzig Tabellenerster, allerdings besaß sie das um zehn Tore bessere Torverhältnis. Nach damaligen Regularien musste ein Entscheidungsspiel über die Meisterschaft befinden. Aber auch diesmal ging ein Finalspiel für die Erfurter verloren, nun mit 0:2.
Die Umstände dieses Spiels wurden in Erfurt jedoch nicht nur wegen der umstrittenen Handhabung der Tordifferenz kritisiert, sondern auch weil zwei der besten Erfurter Fußballer nicht eingesetzt werden durften: Helmut Nordhaus und Wolfgang Nitsche. Während des Trainingslagers der DDR-Nationalmannschaft im April 1951 in Berlin-Grünau hatten einige Spieler randaliert und sich nach der 1:3-Niederlage im noch inoffiziellen Länderspiel gegen Polen betrunken. Wenige Tage nach diesem Vorfall kam es zu einer Verhandlung vor dem Deutschen Sportausschuss und der vermeintliche Anführer Helmut Nordhaus wurde als Auswahl-Kapitän abgesetzt und bekam ein halbes Jahr Spielsperre für die Nationalmannschaft und einen Monat für jeglichen anderen Spielverkehr. Ebenso wurde Wolfgang Nitsche bestraft, er erhielt ein Jahr Sperre für die Nationalmannschaft und ein halbes Jahr Spielsperre für jeglichen anderen Spielbetrieb:
„Bitter für die Erfurter, die ihre Strategen damit nicht für das Chemnitzer Entscheidungsspiel gegen Chemie Leipzig einsetzen konnten. Für den Kampf um den Meisterkranz war Turbine damit entscheidend geschwächt. Ein Zufall? Immerhin war mit Fritz Gödicke ein Chemie-Spieler Leiter der Sparte Fußball im Deutschen Sportausschuss und das Entscheidungsspiel überhaupt erst wenige Wochen zuvor als Hilfe für Sonderfälle in die Wettspielordnung aufgenommen worden. (...) Einige Turbine-Kicker schwören noch heute, dass das Schild ‚DDR-Meister 1950/51: Chemie Leipzig‘ schon vor dem Anpfiff in Chemnitz daran befestigt war.“
(Karte, Uwe / Röhrig, Jörg: Kabinengeflüster. Geschichten aus 40 Jahren DDR-Elf, Kassel 1997, S. 20)
Im Zusammenhang mit der Schwächung der Mannschaft aufgrund dreier Spielerabgänge zu Eintracht Braunschweig dauerte es knapp zwei Jahre, um wieder ernsthaft um die Meisterschaft mitspielen zu können. Die Krönung dieser Mannschaft folgte dann 1954, als die BSG Turbine Erfurt zum ersten Mal die Meisterschaft gewinnen konnte.
Ein Jahr später, inzwischen war im November 1954 der SC Turbine Erfurt gegründet worden, konnte der Meistertitel dann noch einmal erfolgreich verteidigt werden.
Eine Teilnahme am 1955 erstmals ausgespielten „Pokal der europäischen Meistervereine“ blieb den Erfurtern allerdings verwehrt, denn die DDR-Sportführung misstraute der Konkurrenzfähigkeit ihres Fußball-Meisters. Unabhängig davon, dass den Erfurtern hier attraktive sportliche wie kulturelle Erfahrungen verloren gingen, war diese Einschätzung wahrscheinlich sogar zutreffend, denn der Zenit der Mannschaft war zu diesem Zeitpunkt bereits überschritten. Im Sommer 1955 verließen mit Rudolf Hermsdorf und Heinz Hammer zwar nur zwei wichtige Spieler den SC Turbine, aber auch der bisherige Erfolgstrainer Hans Carl verließ den Sportclub und schloss sich dem KSV Hessen Kassel an.
Schon in der Übergangsrunde im zweiten Halbjahr 1955 stellte sich dann heraus, dass der SC Turbine in der Oberliga nur noch Mittelmaß war, die Situation unter den Spielern, Funktionären und Zuschauern war angespannt. Am 23. Oktober 1955 spielte die Mannschaft gegen den SC Empor Rostock. Als kurz vor Spielschluss beim Stand von 2:1 für Erfurt der Schiedsrichter einen Strafstoß für Rostock gab und sich daraus der Endstand von 2:2 ergab, kam es sowohl auf dem Rasen als auch auf den Zuschauerrängen zu Tumulten. Der Schiedsrichter, der bereits auf dem Spielfeld von Teilen der Erfurter Mannschaft mit ihrem Kapitän Helmut Nordhaus an der Spitze beschimpft und bedrängt worden war, wurde nach dem Schlusspfiff von aufgebrachten Zuschauern bedroht und von einem einzelnen auch geschlagen. In der Folge wurden die Spieler Helmut Nordhaus und Wilhelm Hoffmeyer durch die Sektion Fußball des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport bestraft. Obwohl in den offiziellen Pressemitteilungen die Rechtskommission der Sektion Fußball als urteilendes Organ auftrat, war es Manfred Ewald persönlich, der sich dieses Falles annahm. Zunächst forderte er eine lebenslange Bestrafung beider Spieler, dies wurde nach Interventionen des SC Turbine und der Zentralen Leitung der Sportvereinigung Turbine in Spielsperren von drei Monaten für Hoffmeyer und von fünf Monaten für Nordhaus umgewandelt, dazu musste er sein Kapitänsamt für zwei Jahre abgeben.
Es war der Anfang vom Ende der Karriere dieses Spielers. Dazu kam eine Platzsperre von 10 Wochen für das Georgij-Dimitroff-Stadion, sodass der SC Turbine seine Heimspiele bis Ende des Jahres auf des Gegners Platz austragen musste. Weil dies aber bereits die dritte Platzsperre innerhalb von fünf Jahren war und durch mangelnde Ordnungsdienste und Anweisungen der SC-Funktionäre die Tumulte wohl auch begünstigt wurden, wechselte man auch zwei Mitglieder der Clubleitung aus.
Zwar absolvierte Helmut Nordhaus 1956 noch einige Spiele für den SC Turbine, aber sportlich ging es mit ihm und mit der Mannschaft immer weiter bergab und der Titelverteidiger hatte in der Saison 1956 sogar Mühe, nicht aus der Oberliga abzusteigen. Als Ende 1956 mit Lothar Weise einer der treffsichersten Stürmer die DDR in Richtung Stuttgarter Kickers verließ und 1957 Erwin Schymik zum SC Motor Jena wechselte, war der Substanzverlust nicht mehr zu kaschieren, die große Zeit des Erfurter Fußballs war vorbei.
Der Text ist ein Auszug aus: Michael Kummer: Die Fußballclubs Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena und ihre Vorgänger in der DDR. Ein Vergleich ihrer Bedingungen. Dissertation, Potsdam 2010.
Die Bilder stammen alle aus dem Archiv Olaf Schwertner.
Vielen Dank an Autor und Bildgeber.